Zentralverband des
Deutschen Handwerks
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Das AWH-Verfahren zur Bewertung von Handwerksbetrieben

Die Arbeitsgemeinschaft der Wert ermittelnden Betriebsberater im Handwerk (AWH) hat ein Bewertungsverfahren speziell für Handwerksunternehmen entwickelt.

Vorgehen und Berechnungsschema beim AWH-Verfahren

Das AWH-Verfahren stellt eine Modifikation des IDW-Standards dar, ohne dessen wesentliche Grundkonzeption zu verletzten. Es stellt eine zielgerichtete Abwandlung des IdW S1 dar, der in erster Linie für Kapitalmarktzwecke entwickelt wurde. Der IDW-Praxishinweis KMU Bewertung 2014 bietet die Möglichkeit der Anwendung alternativer Bewertungsverfahren von KMU.

Der AWH-Standard nimmt eine Bewertung unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten vor und stellt daher auch im Besteuerungsprozess (gem. R B 199.1 Abs. 1 Satz 3 ErbStR 2019) eine legitime Alternative zum „vereinfachten Ertragswertverfahren“ dar.

Die Berechnung nach dem AWH-Standard erfolgt als Ertragswert auf finanzmathematischer Basis einer ewigen Rente. Hierzu ist als Zählergröße ein konstant nachhaltiger Überschuss zu ermitteln. Diese Ertragskomponente wird ausgehend von den handelsrechtlichen Gewinnen der zurückliegenden vier Geschäftsjahre ermittelt, die in jeder Periode um bestimmte Aufwendungen und Erträge (z. B. außerordentliche, nicht-marktübliche oder nicht von der Unternehmenswertdefinition des AWH-Standards umfasste Erfolgsbestandteile) zu bereinigen sind. Die vier normalisierten Vergangenheitsergebnisse sind anschließend anhand einer Trendgewichtung auf einen einzelnen Wert zu verdichten. Zudem sind diesem trendgewichteten Ergebnis zukünftig erkennbare Veränderungen, bestimmte kalkulatorische Wertansätze sowie Ertragsteuern auf Unternehmens- und Unternehmerebene gegenzurechnen.

Als Nennergröße ist für Zwecke der Diskontierung ein Kapitalisierungszinssatz zu ermitteln, der sich aus einem (quasi-)risikolosen Basiszinssatz sowie definierten Zuschlägen zusammensetzt. Der Basiszinssatz errechnet sich anhand von Zinsstrukturdaten der Deutschen Bundesbank, die verbleibenden Komponenten werden aufgrund einer betriebsspezifischen Risikoanalyse ermittelt. Dazu formuliert der AWH Kriterien zur Einschätzung der einzelnen Zinskomponenten. Das konkrete Ausmaß ist durch eine Einschätzung der Kundenabhängigkeit, dem Produkt- und Leistungsangebot, der Branchen- und Konjunkturentwicklung, dem Standort und regionalen Wettbewerb, der Betriebsausstattung, der Beschäftigtenstruktur, der Personenabhängigkeit sowie sonstigen betriebsspezifischen Risiken festzulegen. Es handelt sich hierbei um keine „zusätzlichen“ Risikozuschläge, sondern vielmehr ergibt sich der Kapitalisierungszinssatz als Summe der einzelnen Risikofaktoren. Der auf einer Bruttobasis verdichtete Kapitalisierungszinssatz wird in einem letzten Schritt um die persönlichen Ertragsteuern des Unternehmenseigentümers vermindert.

Mit Hilfe dieses bundesweit standardisierten AWH-Bewertungsverfahrens wird auf Basis des Ertragswertverfahrens ein realistischer Wert für Handwerksunternehmen errechnet. Dies führt unter anderem dazu, dass bei Bewertungen nach dem AWH-Verfahren regelmäßig Kapitalisierungszinssätze nach Steuern zwischen 15 und 25 % verwendet werden (ZDH-Auswertung aus ca. 320 Datensätzen), was letztlich aber der tatsächlichen Risikostruktur eines Handwerksbetriebes Rechnung trägt.

Warum gibt es ein besonderes Bewertungsverfahren für Handwerksbetriebe?

Zur Bestimmung des Unternehmenswerts werden von Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und Finanzbehörden überwiegend das aus der Industrie stammende Ertragswertverfahren IDW S 1 oder das vereinfachte Ertragswertverfahren verwendet. Diese Grundsätze zur Unternehmensbewertung zielen überwiegend auf die Bewertung von kapitalmarktorientierten Großunternehmen ab, bei denen zur Wertermittlung regelmäßig auf beobachtbare Marktdaten und eine aussagefähige Informationsbasis zurückgegriffen werden kann.

Bei kleinen und mittleren Unternehmen treffen diese Eigenschaften häufig nicht zu. Die Bewertung von KMU ist daher regelmäßig mit Besonderheiten verbunden, die u.a. aus der Einheit von Eigentum und Leitung sowie eingeschränkten Informationsquellen als auch fehlenden Planungsrechnungen resultieren. Vor diesem Hintergrund ist das AWH-Verfahren im Sinne von § 11 Abs. 2 S. 2 BewG zu sehen: „so ist er [gemeiner Wert] unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode zu ermitteln; dabei ist die Methode anzuwenden, die ein Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zugrunde legen würde“.

Für die Unternehmen des Handwerks sind berufsständische Wettbewerbs-, Markt- und Finanzrestriktionen zu beachten. Aufgrund eines geografisch begrenzten Betätigungsfelds wird die Wettbewerbsintensität und unmittelbare Konkurrenzsituation eines Unternehmens durch die regionale Betriebsdichte im Handwerk determiniert. Zudem kann aufgrund rechtlicher Vorgaben (z B. Meisterpflicht) das betriebliche Leistungsangebot nicht beliebig über das betriebene Gewerk hinaus erweitert werden. Zudem fungieren Mitarbeiter oft als elementare Wissensträger, deren Ausscheiden ein erhebliches Risiko für den Fortbestand des Betriebs darstellt.

Insbesondere für die im Handwerk typischen inhabergeführten fachtechnisch orientierten Klein- und Mittelbetriebe gelten einige Besonderheiten, die bei der Ermittlung des Unternehmenswertes nach dem Ertragswertverfahren zu berücksichtigen sind, z.B.:

  • die starke Beeinflussung der Ertragslage durch die Inhaberpersönlichkeit,
  • die Haftungsverflechtung von Privat- und Betriebsvermögen,
  • die mangelnden betriebswirtschaftlichen Planungsmethoden,

Den aufgeführten Besonderheiten wird durch das AWH-Verfahren Rechnung getragen, das sich von den sonst eingesetzten Systematiken zur Unternehmensbewertung abhebt durch:

  • die Herleitung der Planwerte aus den gewichteten Vergangenheitszahlen,
  • den Ansatz des kalkulatorischen Unternehmerlohns durch Herleitung von Tariflöhnen
  • eine detaillierte Risikoermittlung durch Zuschläge auf den Kapitalisierungszinssatz in 10 Risikokategorien, insbesondere durch die Berücksichtigung der Inhaberabhängigkeit durch eine hohe Gewichtung in der Risikoanalyse.

Wissenschaftliche Untersuchungen unterstützen das AWH-Verfahren

Logo der Arbeitsgemeinschaft der Wert ermittelnden Berater im Handwerk

Das AWH-Verfahren ist sachgerecht und berücksichtigt nur die tatsächliche Ertragskraft eines Handwerksunternehmens. Dies belegen zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen. So wird in der Studie der Universität Leipzig (Prof. Carmen Bachmann, Konrad Richter und Thomas Wagner) „Vergleich des AWH-Standards mit dem vereinfachten Ertragswertverfahren für erbschaftsteuerliche Zwecke“ 2018 das vereinfachte Ertragswertverfahren dem AWH-Standard gegenübergestellt. Auch wenn der AWH-Standard im Rahmen dieser Untersuchung teilweise kritisiert wurde, ist er laut dem Fazit der Autoren insgesamt deutlich besser geeignet kleine Unternehmen zu bewerten als bisherige Modelle.

Neutralität und einheitliche Bewertungsqualität als wichtige Ziele des AWH-Verfahrens

Für die Beratungsstellen ist es unabdingbar, ein neutrales Bewertungsergebnis sicherstellen zu können, da die organisationseigenen Berater sowohl für den verkaufenden Altinhaber als auch den Erwerber tätig sind, beide Parteien sind Mitglied der jeweiligen Handwerksorganisation. Darüber hinaus ist die Handwerkskammer als Körperschaft des öffentlichen Rechts ohnehin gehalten, sich neutral zu verhalten und keine Bevorzugung einzelner Interessenten vorzunehmen.

Ein von den Handwerksberatern einzusetzendes Bewertungsverfahren muss sicherstellen, dass ganz gleich wer in der Handwerksorganisation eine Bewertung vornimmt, das Ergebnis weitgehend deckungsgleich ist. Diese Anforderung wurde erst mit der flächendeckenden Einführung des AWH-Bewertungsverfahren erreicht. Bereits in der verpflichtenden Grundlagenschulung konnte festgestellt werden, dass die erstmals das AWH-Verfahren einsetzenden Berater in den ersten Übungsfällen bereits zu erstaunlich gleich hohen Unternehmenswerten gelangten. Das AWH-Verfahren stellt also sicher, dass die dem Bewertungsprozess unterliegenden subjektiven Einschätzungen zu großen Teilen eliminiert werden können.

Beratungsqualität und Qualifizierung der Bewerter in der Handwerksorganisation

In dem Beratungsnetzwerk der Handwerksorganisation mit rund 900 betriebswirtschaftlichen und technischen Betriebsberatern bei Handwerkskammern und Fachverbänden des Handwerks wird auf eine einheitlich hohe Qualität der Beratungsleistungen und bei der Qualifikation der Mitarbeiter (Hochschulabschluss, jährliche Weiterbildungsverpflichtung) geachtet.

Die Qualität der nach dem AWH-Standard vorgenommen Bewertungen wird durch eine systematische mehrstufige Schulung der Berater garantiert. Nur geschulte Bewerter haben Zugang zu den Bewertungsinstrumenten, die die AWH-Fachgruppe entwickelt und erprobt hat. In Workshops werden kontinuierlich Erfahrungswerte und Spezialfälle diskutiert. Die Ergebnisse aus diesen Veranstaltungen fließen dann in die Weiterentwicklung des AWH-Verfahrens ein.

Die betriebswirtschaftlichen Berater werden durch technische Betriebsberater unterstützt, diese bewerten ebenfalls nach AWH-Qualifizierungsvorgaben die Maschinen- und Anlagen sowie Betriebsimmobilien mit Hilfe von AWH-Instrumenten und -Datenbanken.

Der AWH-Wertermittlungen werden von Käufer und Verkäufer akzeptiert

Der ermittelte AWH-Unternehmenswert wird regelmäßig als Basis für die Kaufpreisfindung bei der Unternehmensnachfolge durch externe Übernehmer bzw. bei der Übernahme aus der Belegschaft eingesetzt. Dabei konnte festgestellt, dass das Verfahren von beiden Parteien akzeptiert wird und der AWH-Wert sehr oft dem endgültigen Verkaufspreis entspricht. Eine entsprechende Erhebung wurde 2015 durchgeführt. Zwar sind hierbei nur 44 Werte gegenübergestellt worden, jedoch hat dieser Vergleich eindrucksvoll bestätigt, dass die errechneten AWH-Werte sehr dicht an den tatsächlichen Verkaufspreisen herankamen. Bei diesen 44 Vergleichswerten lag der durchschnittliche AWH-Kapitalisierungszinssatz bei 18,7 %. Würde man die tatsächlichen Verkaufspreise umrechnen, käme man auf einem errechneten Kapitalisierungszinssatz von 18,1 %.

Fazit

Das AWH-Verfahren beruht auf der breiten Erfahrung der auf die Beratung von Handwerksunternehmen spezialisierten Betriebsberaterinnen und Betriebsberater der Handwerksorganisation. Es dient zur neutralen, aber sachgerechten ertragsbasierten Bewertung von Handwerksunternehmen. Das bewährte Verfahren wird in aller Regel von Unternehmern, Kreditinstituten, Fördereinrichtungen und Finanzämtern akzeptiert. Dies belegen auch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen.

Der AWH-Standard trägt im Besonderen den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts nach einer zutreffenden Bewertung nach dem Verkehrswert Rechnung. Er berücksichtigt zutreffend die Besonderheiten im Handwerk und wird für handwerkliche Betriebe im klein- und mittelständischen Bereich auch vom BMF als geeignetes Verfahren angesehen.

Zum Herunterladen

  • AWH-Handbuch 5.2

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